Neues Aquarium

Wettbewerb | Tiergarten Schönbrunn

Äußeres Erscheinungsbild - ein sich an den Hang schmiegender Rochen

Das vorliegende Projekt tritt nach außen zurückhaltend, dennoch sehr präzise auf.

Die wesentlichen formgenerierenden Themen hierbei sind:
_die Ausbildung eines prägnanten Hangreliefs
_die Bartgeier-Voliere mit ‚Felskante’ (für Brut und Abflug)
_den Erhalt der beiden bestehenden Besucherstraßen
_die Schaffung von Aussichtsterrassen mit Blick in die Voliere sowie auf die Schilf- und Steppenzone
_die Freistellung der historischen Parkachsen
_die Ausbildung einer großen Oberlichtverglasung für Tageslicht in die darunterliegende Mangroven-Halle
_die Schnittstelle zur Schilfzone mit dem Gewässer direkt am Gebäude, Hangfuß mit Wasserfall und Überlauf.
_Strategisch optimale Positionierung der Besucher-Ein- bzw. Ausgänge sowie der Anlieferungszone (direkt neben der Anlieferungszone für das Nashornhaus).

Auf ein lautstarkes architektonisches Thema (z.B. Solitär) wird bewusst verzichtet, da im direkten Umfeld bereits das Regenwaldhaus und die übrigen Pavillons dominieren und daher beim Aquarienhaus das landschaftliche Thema in den Vordergrund gestellt wird. In der Gesamt-Dramaturgie des Tierparks Schönbrunn erscheint diese ‚Ruhe’-Sequenz zielführend.

Erschließung
Man betritt das Neue Aquarienhaus entweder west- oder ostseitig von der nördlichen Besucherstraße kommend. Der Hang öffnet sich nordseitig als schmaler horizontaler Spalt, die Zugänge sind als Schwelle bewusst sehr niedrig - um die anschließenden Innenräume noch größer wirken zu lassen. Eine weitere Zugangsmöglichkeit befindet sich am oberen Anschlußpunkt Südwest auf + 48,8 m.

Die Schilf- und Wasserzone dockt direkt an das Aquarienhaus an, sodass Teile dieser Lebenswelt im Foyer sichtbar sind. Die nördliche Besucherstraße wird als ‚Steg’ über die Wasserfläche in Distanz zum Hang am Aquarienhaus vorbei geführt. Spiegelungen der Fassade verdoppeln optisch die Höhe des Fassadenschlitzes.
Alle Zugänge zum neuen Aquarienhaus sind barrierefrei erschlossen.

Direkt an der Glasfassade des Aquarienhauses führt ein schmaler Weg hinter den Wasserfällen und Moosvorhängen vorbei.

Innere Organisation / Dramaturgie
Unterhalb des Landschaftsreliefs wird das gesamte Volumen und der Bewegungsfluss entlang von archaischen Räumen in Szene gesetzt: als Schlucht, Spalt, Riff, Wirbel, Höhle, Geysir oder Grotte.

Eine schmale Foyerzone entlang der Nordfassade zum Wasser verbindet die Hauptebenen und Hauptzugänge (Ost und West).
Hier befinden sich alle Service-Einrichtungen (Shop, Buffet, Info, Garderoben, WCs).
Dieses Entree dehnt sich ins Untergeschoss aus. Im Foyerbereich sind bereits zwei Großaquarien als Auftakt platziert.

Die eigentliche Reise in die Unterwasserwelten beginnt hinter dem Foyer ‚West‘.

Zunächst wird der Besucher in eine Schlucht geführt, deren rechte Seite zum Regenwaldhaus auf eine Höhe bis zu 20 m ansteigt und die terrassierten geologischen Schichten des Schönbrunn-Hanges sichtbar macht - eiszeitliche Formationen, brandaktuell (Klimawandel, Erderwärmung) und unbedingt in die Ausstellungskonzeption aufzunehmen!
Vis à vis befinden sich im EG sowohl der multimediale Raum, der themenspezifische Einführungen ermöglicht und auch als Laboratorium (Mikrowelten) genutzt werden kann. Dieser Raum ist auch von der anderen Seite zugänglich und kann so in die Ausstellungsdramaturgie eingebunden werden.

Über eine Treppe oder mittels Lift gelangen die Besucher in die obere Ausstellungszone auf + 45,0 m, hier stoßen auch die Besucher vom Anschlusspunkt Südwest hinzu.
Der Besucherfluß erfolgt analog zu dem natürlichen Strömungsverhalten in unterschiedlichen Umgebungen und aufgrund unterschiedlicher Widerstände: Delta, gefasstes ‚Bett‘, Verwirbelungen, Stehzonen.

Es beginnt die Folge von Aquarien. Zunächst die Unterwasser-Einsichten in die beiden Großaquarien ‚Fluss‘ und ‚See‘, an dem Flussufer-Aquarium vorbei schließlich auf die ‚Hochebene‘ der tageslichtdurchfluteten Mangroven-Halle gelangend - die Besucherbewegung ähnelt hier Mäandern eines Flussdeltas. Anschließend werden die Bewegungen gebündelt und führen entlang einer Rampe mit Rechtsdrehung nach unten in die Unterwasserwelten hinab. Diese Rampe zeichnet im Gesamtverlauf mehrere elliptische Kreise um einen gemeinsamen Luftraum, der zur Orientierung mit schwachem Tageslichteintrag dient.

Die Spiral-Rampe bildet den ‚roten Faden‘ durch die Ausstellung, ohne zwanghaft zu wirken, immer wieder bieten Nischen seitliche Verweilzonen. Der Weg führt im spannenden Wechsel an den Großaquarien und einer Reihe von Kleinaquarien vorbei und ermöglicht so die verschiedensten Ein- und Aufsichten in die Unterwasserwelten. Höhepunkt bietet schließlich das ‚Theater der Haie’, zunächst führt eine Rampe als Galerie in Distanz am Haibecken vorüber, eine Ebene tiefer können die Besucher dann direkt an die Verglasung des Haibeckens heranschreiten oder dem Schauspiel der Haie auf Sitzstufen folgen.

Wir haben inzwischen 11,5 Höhenmeter überwunden befinden uns 4 m unter dem Eingangslevel auf +33,50.

Nach dem Haifischbecken werden die Besucher in die faszinierende Welt der Quallen entführt, zunächst entlang von Einzelaquarien - die weichen Konturen der Quallen werden gleichsam ‚Bildern einer Ausstellung’ inszeniert, dann durch einen Quallentunnel. Nach der Quallen-Sequenz werden die Besucher auf der unteren, ihnen vertrauten Foyer-Ebene mit Tageslicht und Blickbezug zur Schilfzone entlassen und gelangen wiederum über Treppen oder Aufzüge zu den Ausgängen, am Sanitärbereich, dem Shop und dem Buffet vorbei.

Das untere Foyer kann als Wechselausstellungsbereich mit dem Mittelmeeraquarium als Highlight.

Dem Buffet ist eine großzügige Terrasse vorgelagert mit Blick über die Schilf- und Steppenzone. Auch vom Innenraum sind diese Außenbereiche über ein großes Panoramafenster erlebbar. Weiters besteht die Möglichkeit einer Loge zum ‚Theater der Haie‘, d.h. eine Blickbeziehung zum ‚Theater der Haie‘ nach Innen herzustellen.

Für Firmenevents bilden somit Buffet, Terrasse und das ‚Theater der Haie‘ eine eigene Raumgruppe - jedoch mit dem nötigen Respekt vor und der nötigen Distanz zu den Lebewesen.

Insgesamt wird das neue Aquarienhaus innenräumlich von einer musealen oder sakralen Atmosphäre geprägt - einem Ort der Geheimnisse, der Verzauberung, der Schönheit. Optische und akustische Elemente verstärken gezielt diese Raumwirkung. Eine zurückhaltende Materialität aus nachhaltigen Baustoffen (z.B. Stampfbeton) ebenso.

Das Wasser tritt im neuen Aquarienhaus in seinen verschiedenen Aggregatszuständen und Maßstäben und Kontrasten auf: als stehendes Gewässer, als Brandung, Nebel, Wasserfall, als Tropfen, Rinnsal, als 1 Million Liter Behältnis, als Lebensraum. Die Lichtführungen und das Leitsystem erfolgen teilweise durch Projektionen auf bewegte Wasseroberflächen bzw. über Reflexionen, was ein spezifisches Flimmern im Innenraum erzeugt.


Mitarbeit
Johannes Kraus, Benjamin Milde, Christian Eppensteiner, Robert Haas, Merlin Bartholomäus, Maria Groiss, Felix Redmann, Gabriele Bauer, Florian Steingassner, Michael Ratheiser